Gefährdungsbeurteilung:
Was Unternehmer und Führungskräfte darüber wissen sollten.
Was Unternehmer und Führungskräfte darüber wissen sollten.
Was versteht man genau unter Gefährdungsbeurteilung?
Der Begriff Gefährdungsbeurteilung ist relativ modern, erst 1996 wurde er eingeführt. Bis dahin genügte es, wenn Unternehmen in ihrem Handeln den Arbeitsschutzvorschriften des Staates und der Berufsgenossenschaften entsprachen.
Mit der Pflicht zur Durchführung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilungen wurde der Unternehmer durch die regelsetzenden Institutionen wie Staat und Unfallversicherer stärker in die Verantwortung genommen. Statt ihm konkrete Vorschriften zu machen, überlässt man ihm, wie er mit bestimmten Gefährdungen umgeht.
Zudem verpflichtet man ihn dazu, schriftlich festzuhalten, wie dafür gesorgt wird, dass die Vorschriften eingehalten werden.
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Vor 1996 gab es für jedes Arbeitsmittel festgelegte Prüffristen und oft auch Prüfinhalte von den Berufsgenossenschaften. Seit der grundlegenden Überarbeitung des Arbeitsschutzgesetzes und der Betriebssicherheitsverordnung gibt es diese starren Vorschriften für die allermeisten Arbeitsmittel nicht mehr.
Statt dessen ist die angemessene Prüffrist vom Arbeitgeber durch eine Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln.
Ein anderes Beispiel: Früher hieß es in einer Vorschrift zu Bohrmaschinen: „Die Arbeitsstücke sind gegen Mitnahme durch den Bohrer zu sichern.“ Heute ist wesentlich offener formuliert: „Schutzmaßnahmen müssen vom Arbeitgeber festgelegt werden.“
Der Arbeitgeber ist also heute sehr viel stärker in der Verantwortung, selbst geeignete Regeln festzulegen. Zudem ist er verpflichtet, diese Festlegungen schriftlich zu dokumentieren. Wer diese Pflichten vernachlässigt, geht ein großes Risiko ein.
Spätestens wenn ein Unfall passiert, kommt die Frage nach der Gefährdungsbeurteilung auf. Wer dann – insbesondere bei schweren Unfällen – keine oder keine fachlich ausreichende Gefährdungsbeurteilung vorlegen kann, hat ein Problem. Es drohen persönliche Strafen für Unternehmer und Führungskräfte in zivil- und strafrechtlichen Prozessen, wenn die Sorgfaltspflicht bei der Erstellung und Fortschreibung von Gefährdungsbeurteilungen nicht beachtet wurde.
Die Gegenstände von Gefährdungsbeurteilungen sind Arbeitsmittel, Arbeitsplätze und Arbeitsstätten. Für Arbeitsmittel reicht übrigens die CE-Kennzeichnung nicht aus, nach der Novelle der BetrSichV 2015 müssen auch neue Arbeitsmittel beurteilt werden.
Was viele nicht beachten: nach der Ersterstellung einer Gefährdungsbeurteilung muss diese in regelmäßigen Abständen fortgeschrieben werden. Insbesondere nach Unfällen sowie nach wesentlichen Änderungen von Anlagen, Abläufen oder Qualifikationen. Ein weiterer Anlass für die Anpassung einer Gefährdungsbeurteilung ist die Beschäftigung besonders schutzbedürftiger Personen – wie Jugendliche, Schwangere, stillende Mütter, behinderte Menschen und Rehabilitanden. Und schließlich sind auch neue Gesetze oder Vorschriften ein Grund, eine Gefährdungsbeurteilung zu überarbeiten.
Betrachtete Gefährdungsfaktoren und Betriebszustände
Es gibt vielfältigste Gefährdungsfaktoren, die für eine Gefährdungsbeurteilung relevant sind: Mechanische Gefährung, elektrische Gefährdung, Gefahrstoffe, biologische Gefährdung, Brand und Explosion, Thermische Gefährdung, Physikalische Einwirkung (Strahlung, Lärm, Vibration), Arbeitsumgebung, körperliche Belastung, seelische Belastung und viele mehr.
Jeder dieser Gefährdungsfaktoren muss in den verschiedenen Betriebszuständen betrachtet werden: Normalbetrieb, Ingangsetzen, Einrichten, Probebetrieb, Stillsetzen, Wartung/Pflege, Instandsetzung, Störung/Ausfälle.
Grundlegende Voraussetzungen für die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen sind technische und arbeitschutzspezifische Kenntnisse. Dazu kommen organisatorische Kenntnisse sowie Kenntnisse der maßgeblichen Regelwerke. Besonders wichtig sind auch Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von der zu beurteilenden Organisation.
Im ersten Schritt sind die zu untersuchenden Arbeitsbereiche und Tätigkeiten auszuwählen. Dabei bildet meist das Organigramm eine wesentliche Grundlage. Bei Personen mit häufig wechselnden Tätigkeiten sowie speziellen Personengruppen wie Allergikern oder Mitarbeiter mit Behinderungen bieten sich personenbezogene Gefährdungsbeurteilungen an.
Das Ermitteln von Gefährdungen erfolgt in einem Team, dem der Unternehmer bzw. von ihm beauftragte Personen wie Führungskräfte, Sicherheitsbeauftragte, Betriebsräte oder der Betriebsarzt angehören. Die Ermittlung geschieht vor Ort am zu untersuchenden Arbeitsplatz.
Hilfreich beim Ermitteln von Gefährdungen sind Checklisten wie die unserer App „Risikoanalyse“. Sie enthält die elf Hauptgefährdungskategorien, die von der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) festgelegt wurden. Für jeden Arbeitsplatz können die elf Gefährdungsfaktoren mit ihren Unterfaktoren untersucht werden.
Das Beurteilen von Gefährdungen geschieht durch Vergleich der vorgefundenen Version mit sicheren Lösungen sowie durch Vergleich mit rechtlichen Anforderungen aus staatlichen Regelwerken wie ASR, TRBS, TRGS, TRLV oder TROS und dem Regelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Der nächste Schritt besteht in der Festlegung von Maßnahmen. Dies ergibt sich aus dem Vergleich von Soll und Ist. Wenn die vorgefundene Situation von der Soll-Situation abweicht, sind (zusätzliche) Maßnahmen erforderlich. Ansonsten sind die bereits getroffenen Maßnahmen fortzuschreiben. Die Maßnahmen werden im Arbeitsschutz insgesamt mit dem Akronym STOP abgekürzt. Dies soll die Reihenfolge der Wirksamkeit der Maßnahmen andeuten: Substitution – Technische Maßnahmen – Organisatorische Maßnahmen – Personenbezogene Maßnahmen.
Der Maßnahmenkatalog beseitigt erfahrungsgemäß Unsicherheiten bei Fach- und Führungskräften, welche Maßnahmen und Aufgaben im Rahmen des Arbeitsschutzes konkret erforderlich sind. Auch ist die Liste eine wertvolle Grundlage für die Unterweisung von Beschäftigten. Sie wird ergänzt von Betriebsanweisungen. Sofern zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden, werden sie in Form einer normalen to-do-Liste pro Abteilung oder Funktionseinheit aufgeführt.
Anschließend werden die bisher noch nicht durchgeführten Maßnahmen durchgeführt. Zuständig hierfür sind die Führungskräfte der Linie zusammen mit dem Unternehmer oder den vom ihm Beauftragten. Dabei wird über Zeit und Geld entschieden, sowie über Art und Weise der Umsetzung. Erfahrungsgemäß sind viele Maßnahmen nicht besonders aufwändig. Aber hin und wieder werden auch kostspielige und aufwändige Maßnahmen festgelegt, deren Umsetzung sich über längere Zeit hinzieht.
Sind die Maßnahmen eine Zeit lang umgesetzt, so müssen insbesondere die neu durchgeführten Maßnahmen auf Wirksamkeit überprüft werden. Eine reine Fertigmeldung per E-Mail reicht nicht aus. Die Maßnahme ist vor Ort durch Inaugenscheinnahme, Funktionsprüfung, Gespräche oder Messungen auf Wirksamkeit zu prüfen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, ob durch die Art der Umsetzung eine neue Gefährdung geschaffen wurde. Häufig ist festzustellen, dass die Maßnahmen mit dazu beitragen, einen Arbeitsplatz oder eine Abteilung altersgerechter zu gestalten. Dadurch können insbesondere ältere und erfahrene Mitarbeiter dazu bewogen werden, länger an dem Arbeitsplatz zu bleiben.
Der letzte Schritt ist die Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung, wenn einer der folgenden Anlässe gegeben ist:
Dabei sind lediglich die Veränderungen zu betrachten. Eine vollständige Wiederholung ist nicht erforderlich, wenn diese Regeln eingehalten werden
Weitere Informationen zur Gefährdungsbeurteilung
Durchführung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilung ist eine gesetzliche Pflicht. In §5 und §6 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) wird dies gefordert. Diese Generalforderung wird ergänzt durch zahlreiche Einzelforderungen in Spezialverordnungen wie Gefahrstoffverordnung, Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), Biostoffverordnung (BioStoffV) und andere.
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